Chinas Ambitionen in der Arktis und ihre Bedeutung für Kanada
Die kanadische Arktis umfasst etwa 40 % des kanadischen Staatsgebietes und ist die Heimat von mehr als 100.000 Menschen.
Der hohe Norden ist heute eine Region zunehmender wirtschaftlicher Aktivitäten, da seine Ressourcen Begehrlichkeiten wecken und Schiffsrouten wie die Nordwestpassage befahrbar werden. Doch das Ökosystem der Arktis ist zunehmend gefährdet und sehr zerbrechlich.Die Kanadier sehen den Norden als grundlegenden Teil ihrer Zukunft und als eine Region mit außerordentlichem Potential.
China unterteilt arktische Angelegenheiten in solche von regionaler Natur und andere von globaler Bedeutung. Während der letzten Dekade schenkten Politiker auf der ganzen Welt der Arktis zunehmend mehr Beachtung. Neu zugängliche Ressourcen und Transportwege weckten die Beachtung staatlicher und privater Unternehmungen, die von den Veränderungen gleichfalls profitieren wollten.
In Kanada sind nun Fragen von nördlicher Souveränität, Sicherheit und Entwicklung von zentraler politischer Bedeutung.
Die kanadische Arktis hat heute die Aufmerksamkeit der Welt – von Baffin Island bis Peking. Das wachsende Interesse neuer Akteure in zirkumpolaren Angelegenheiten – speziell von China und anderen ostasiatischen Staaten – führt zu neuen Ungewissheiten und Bedrohungsszenarien. Kanadischen Berichterstattern erscheinen vor allem Chinas Absichten in Bezug auf die arktischen Gewässer Kanadas, Ressourcen, Fischereigründe und den Festlandsockelanspruch verdächtig. Je mehr China seinen Einfluss und seine Investitionen in der zirkumpolaren Arktis verstärkt, desto drängender werden die Fragen nach Chinas Absichten in dieser Region.
Verantwortlich für die kanadische Arktispolitik ist das «Department of Indian (Indigenous) Affairs and Northern Developments». Es verfolgt vier Hauptziele: Die Ausübung kanadischer Souveränität in der Arktis, die Förderung sozialer und ökonomischer Entwicklung in diesem Gebiet, Umweltschutz sowie Verbesserung und Dezentralisierung der Verwaltung im Norden.
Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko im April 2010 und Spekulationen über eine mögliche Ölförderung vor der Westküste von Grönland haben in Kanada öffentliche Besorgnis ausgelöst über mögliche Konsequenzen einer Öl- und Gasförderung in der Arktis für die Umwelt.
Die Sprecherin der Inuit, Mary Simon, erläutert: «Wir brauchen die Nutzung nicht erneuerbarer Ressourcen, wenn wir die ökonomische Selbständigkeit von Nunavut erreichen wollen. Aber die Bedingungen für diese Entwicklung müssen den Schutz unserer Umwelt und die Fortdauer unseres Way of Life garantieren. Da kann es keine Kompromisse geben.»
Die Kooperation mit ausländischen Gesellschaften, aus China oder auch aus anderen Staaten, müssen bundesstaatlich, provinziell und auch kommunal koordiniert werden. Ein kooperativer Rahmen, offen für ausländische Investitionen aus den beiden anderen zirkumpolaren Staaten (USA und Russland) sowie für aufstrebende Länder in Zentralasien und Osteuropa, wurden geschaffen. Kanada hat seine Arktis als offen für wirtschaftliche Unternehmungen erklärt und sucht nach ausländischen Investoren und Transporteuren, die Unterstützung bei der Entwicklung der Region leisten können. Historisch bedeutet das Abhängigkeit von amerikanischen und europäischen Gesellschaften. Doch staatliche chinesische Unternehmen sind inzwischen als kapitalkräftige und risikofreudige Betreiber aufgetaucht. Kanada muss seine Beziehungen zu neuen Akteuren in der Arktis managen, und China ist wohl der wichtigste von ihnen.
Als eine ostasiatische Macht ohne arktische Küste oder Mitgliedschaft im «Arctic Council» erklärt China zwar, dass es keine strategische Agenda bezüglich der schmelzenden Arktis habe. Doch halten dies viele nur für die Taktik einer aufstrebenden Macht, um ihre wirklichen Absichten in der abgelegenen arktischen Region zu verbergen. Die kanadische Arktis hat, was China will: Natürliche Ressourcen und die Möglichkeit einer großen neuen Schiffsroute. China weiß, dass die kanadische Kontrolle über diese Ressourcen Kanada zu einem großen internationalen Player macht. Zu einem Land mit einem Reichtum an natürlichen Ressourcen und geostrategischen Vorteilen, passend zu seiner schieren geografischen Größe, aber unverhältnismäßig bezogen auf seine relativ geringe Bevölkerung.
China bezeichnet sich heute selbst als einen «Staat nahe der Arktis» und nennt eine mögliche Schifffahrtsroute im hohen Norden «Polar-Seidenstraße» ergänzend zur geplanten «Neuen Seidenstraße» durch Eurasien von China nach Europa. Das Recht, arktische Schiffsrouten zu benutzen, ist für China wichtig. Auf ihnen können nicht nur Erdgas und andere Rohstoffe sowie natürliche Ressourcen aus der Arktis nach China transportiert werden, sie garantieren auch einen relativ schnellen Zugang zu den Märkten in Europa und mittelfristig auch in Nordamerika. Die Arktische Schifffahrt würde China auch unabhängiger von Seetransporten über die Malacca-Straße machen.
Übersetzung aus: P. Whitney Lackenbauer, Adam Lajeunesse, James Manicom and Frédéric Lasserre – China’s Arctic Ambitions and What they Mean for Canada. University of Calgary Press, 2016.
Sanna Kopra – The Dragon Looks to the North: China’s Growing Role in the Arctic. 2019.