Das Schicksal der nördlichen Büffelherde
Nach der Ausrottung der südlichen Büffelherde mussten sich im Frühjahr 1879 auch die letzten Jäger in Texas nach einem neuen Betätigungsfeld umsehen. Das Knallen der schweren Sharps Rifles war auf den südlichen Plains nur noch selten zu hören.
Viele Jäger ritten zu den nördlichen Ebenen am oberen Missouri, wo es angeblich noch genügend Büffel gab, um sie die nächsten Jahre mit Jagen und Häuten zu beschäftigen.
Auf den nördlichen Ebenen hatten die Indianer seit Menschengedenken Büffel gejagt. Solange sie nur für den Eigenbedarf jagten, hatte ihre Jagd keine merkliche Auswirkung auf die Größe der Büffelherden. Später jedoch führte die Jagd nach Fellen für weiße Händler zu einem verstärkten Abschuss der Tiere mit spürbaren Auswirkungen auf die Bestandsgröße der Herden. Aber 1879 fanden professionelle weiße Jäger noch viele lukrative Abschussplätze in der Region.
Der Friedensvertrag von Fort Laramie 1868 hatte den Sioux gute Jagdgründe garantiert „so lange Gras wächst und Wasser fließt.“ Sie sollten das Recht haben, Büffel zu jagen auf dem ganzen Land nördlich des Platte River und am Republican Fork des Smoky Hill River (Nebraska/Kansas), so lange dort Büffel in solcher Zahl umherzögen, dass die Jagd auf sie gerechtfertigt sei.
Von miteinander konkurrierenden Händlern erhielten die Indianer höhere Preise für verarbeitete Büffelroben. In den 1870er brachte eine feine Robe oft 6,– $ oder einen Krug Whisky. Zwischen 1874 und 1877 wurden jährlich 80.000 – 100.000 Büffelfelle von Fort Benton aus auf dem Missouri verschifft. Andere gingen an die Händler der Hudson’s Bay weiter im Norden, zusammen mit Tausenden Päckchen Pemmikan.
Ab 1870 wurde die Northern Pacific Railroad gebaut, die im Juni 1873 die Stadt Bismarck am Missouri erreichte. Hier übernahm die Eisenbahn Büffelroben, die den Missouri und den Yellowstone herunter kamen. In den folgenden Jahren durchquerte die neue Bahnlinie die Prärie bis Glendive und Miles City, die Hauptquartiere vieler Büffeljäger in den nördlichen Ebenen. Die Existenz dieser Bahnlinie ermutigte die weißen Jäger zusätzlich. Sie beschleunigte nicht nur den Transport der Tierhäute zu den Märkten, sondern machte auch das nördliche Jagdgebiet für die Jäger sicherer, indem sie weiße Siedler ins Land brachte und die US-Armee veranlasste, besseren Schutz zu gewähren. Die Vernichtung von General Custer und seiner Truppen am Little Bighorn im Sommer 1876 stachelte die Entschlossenheit der US-Regierung nur noch mehr an, die Indianer auf den nördlichen Ebenen endgültig zu zähmen.
Häuptling Sitting Bull war im Herbst 1877 mit 5.000 Anhängern nach Kanada geflüchtet, was den Widerstand der Indianer gegen weiße Jäger schwächte. Einige waren bereits in den frühen 1870er in das nördliche Jagdrevier gekommen. Aber obwohl sie einige hunderttausend Büffel getötet hatten, blieben Transportschwierigkeiten und die Indianergefahr entmutigend. Nun waren die Aussichten viel besser. 1876 wurden 50.000 Büffelhäute und Roben von Bismarck aus weitertransportiert. Noch gab es viele Büffel im Südosten Montanas, im Nordosten Wyomings und zeitweise auch im westlichen Dakota. Reisende entlang des Yellowstone River fanden 1879 den Weg häufig durch große Büffelherden blockiert. Im Winter und Frühjahr 1880 wurden mehr als 200.000 Büffelfelle aus dem Dreieck zwischen Missouri, Yellowstone und Musselshell River im östlichen Montana per Schiff abtransportiert.
Im Spätsommer 1880 veranlasste der permanente Druck durch weiße Jäger in Montana eine große Büffelherde nach Osten ins Dakota-Territorium abzuwandern. Es war das erste Mal seit Jahren, dass sich wieder zahlreiche Büffel in diesem Gebiet (nördlich der Black Hills) befanden. Diese Invasion zog nicht nur weiße Jäger an, sondern auch Indianer in großer Zahl, die sich mit Fleisch, Roben und Häuten versorgen wollten. Auch in Wyoming nahm die Jagd der Indianer auf Büffel wieder zu. Bei Fort Washakie verkauften Eastern Shoshone und Northern Arapaho im Frühjahr 1881 etwa 2.000 Roben und Büffehäute an weiße Pelzhändler.
Berichte, dass die Büffel auf ihre früheren Weidegründe am obern Missouri zurückgekehrt seien, waren gute Neuigkeiten für die Indianer in den Reservaten entlang des Flusses. Im September 1880 zogen 60 Jäger der Lakota-Sioux vom Cheyenne River-Reservat auf die Büffeljagd. Begleitet wurden sie von 40 Frauen, die das Abhäuten, Schlachten und Verpacken übernehmen sollten, 300 Pferden und zahlreichen Hunden für den Transport der Jagdbeute. Am frühen Morgen traf die Jagdgesellschaft auf eine kleine Büffelherde, die verstreut auf der Prärie graste. Nach kurzer Zeit hatten die Indianer 50 Tiere erlegt. Am Abend waren sie mit Fleisch und Häuten zurück in ihrem Jagdlager. Im Winter 1880 wurden mehr als 2.000 Büffelhäute in das Cheyenne River-Reservat gebracht.
Trotz der ständigen Bejagung schienen die Büffel auf den nördlichen Ebenen zu Beginn der Jagdsaison 1881/82 so zahlreich wie immer zu sein. In Nord-Wyoming wurde von so vielen Tieren berichtet, dass Rancher sich Sorgen machten, ob ihre Rinder noch genügend Gras finden würden. In Ost- und Zentral-Montana waren Büffel ähnlich zahlreich. Im Tal des Rosebud River südlich des Yellowstone verdunkelte eine Herde von über 50.000 Tieren das Land über 40 Meilen. Büffeljäger und Fellaufkäufer schätzten, dass noch 1.000.000 Tiere auf den nördlichen Ebenen grasten, viele davon in der Region um Miles City.
Berichte über diese Büffelherden lockten Horden weiterer Jäger in das Gebiet, bis schätzungsweise 5.000 weiße Jäger neben den Indianern mit Schießen und Abhäuten beschäftigt waren. Die meisten jagten in dem Dreieck zwischen Missouri, Yellowstone und Musselshell, andere zwischen Powder River und Little Missouri.
Das so rücksichtslose und weitverbreitete Abschlachten der Wildrinder machte die Jagdsaison von 1881/82 zur erfolgreichsten in der Region. Ein einziger Fellhändler in Glendive verschiffte über 250.000 Häute in dieser Zeit. Im Juni 1882 brachte der Dampfer Rosebud 10.000 Büffelhäute nach Bismarck. Große Mengen Büffelfleisch wurden in Bismarck verkauft. Die Northern Pacific Railway transportierte von dieser Stadt 200.000 Büffelfelle nach Osten. Fast dreimal so viel wie in den Jahren davor.
Aber der Winter 1882/83 war der letzte für die weißen Büffeljäger. Auf den Weiden stand nur noch ein Bruchteil der Million Büffel ein Jahr zuvor. Vielleicht die größte Herde, geschätzte 75.000 Tiere, hatte sich grasend nach Norden bewegt und den Yellowstone River überquert, umgeben von einem Ring von weißen und roten Jägern, die die Größe der Herde beständig reduzierten. Kleinere Herden wurden in West-Montana gesichtet. Zwischen den Bergen und dem Kordon von Jägern saßen die Büffel in der Falle, aus der nur wenige in den kanadischen Nordwesten entkamen.
Mitte 1883 waren fast alle Büffel verschwunden. Einige Jäger vermuteten, dass sie nach Kanada abgewandert wären. Aber dem war nicht so. Die Büffel in Kanada waren noch vor denen in den USA ausgerottet worden. Die größte Gruppe, die noch existierte, war eine Herde von 1.000-1.100 Büffeln im Westen Dakotas. Das war alles, was von einer Herde von 10.000 Tieren übrig geblieben war, die hier noch 1882 gegrast hatte. Im Oktober 1883 weideten die Tiere zwischen Bismarck und den Black Hills. Dann kamen Häuptling Sitting Bull und 1.000 seiner Krieger aus dem Standing Rock-Reservat und erlegten sie alle. Es war die letzte Büffeljagd der Sioux.
Im Herbst 1883 zogen einige der weißen Jäger wieder los, aber sie fanden keine Büffel mehr. Es gab noch einige Hundert in und um den Yellowstone-Nationalpark, ein paar kleine Gruppen in geschützten Schluchten und gelegentlich einen einsamen wandernden Bullen in den Bergen. Mit Ausnahme dieser Exemplare waren die Büffel, die einst zwischen 60 und 70 Millionen gezählt hatten, verschwunden. Tausende Longhorns aus Texas kamen nun auf die Weiden, die einst den Büffeln gehört hatten.